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Windows 2000:
Inkompatibel zum Rest der Welt

Kommentar, 10.05.2000


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Wohl nur die halbe Wahrheit gaben Meldungen wieder, die unlängst kolportierten, Bill Gates habe sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Und nach der Gottschalk-Sendung, in der Gates mit Pamela Anderson das Gästesofa teilte , sahen Spötter aus dem kalifornischen Silicon Valley die zukünftige Rolle des Tycoons eher als Initiator eines neuen Silicone Valley , und weniger als "Software Architect", zumal er Branchenkollegen wie Bill Joy und James Gosling fachlich wohl ohnehin kaum das Wasser reichen kann.

Treffender liesse sich das neue Tätigkeitsfeld womöglich als "CIO" bezeichnen, will heissen, als "Chief Incompatibility Officer" des Konzerns. Wer sich die Mühe gemacht hat, Richter Thomas Penfield Jacksons Finding of Facts -Dokument zum Microsoft-Prozess zu lesen, wird bestätigen, dass diese Sichtweise gar nicht so weit hergeholt ist.

Erst kürzlich brachte Redmond die Open Source Gemeinde auf die Palme, als bekannt wurde, dass Windows 2000 zwar mit Kerberos ein Public-Domain-Protokoll benutzt, dessen Implementierung aber inkompatibel zum Rest der Welt gemacht wurde. Doch die Methode hat Geschichte: "Copy and Corrupt" nannte der London Observer derlei Vorgehensweise recht treffend in einem Bericht über die "Halloween-Papiere", und Richter Jackson zählte reihenweise Vorgänge auf, in denen Inkompatibilität von Microsoft als Machtmittel zur Monopolerlangung und zum Monopolerhalt eingesetzt wurde.

Nach Jackson's Urteil sind das strafbewehrte Verstösse gegen amerikanisches Antitrust-Recht, mithin ein Fall von Wirtschaftskriminalität.

Betrachtet man das Kerberos-Szenario genauer, dann drängt sich der Vergleich zu einer Baugesellschaft auf, die ihre Eigenheime schlüsselfertig anbietet und mit einer 283 Volt-Elektroinstallation ausstattet; Gleichspannung versteht sich. Den 283 Volt-Fernseher wird der Kunde beim Immobilienkauf dann wohl gleich mitbestellen müssen. Im übrigen ist das Gerät natürlich "völlig Standard", denn schließlich lässt sich damit die ARD-Tagesschau ebenso empfangen wie "Big Brother" auf RTL2.

Dessen Fans werden sich ohnehin über den "Diskeeper" Defragmentierer bei Windows 2000 freuen, der wegen seiner Herkunft aus der Firma Executive Software nach wie vor im Gerede ist. CEO Craig Jensen bekennt sich offen zu den Prinzipien des Scientology-Begründers L. Ron Hubbard. Die aber sind auf Einflussnahme und Machtgewinn ausgelegt - nicht zuletzt in fremden Unternehmen.

Gerade so, als wäre der spionierende Windows98 Registration Wizard und die NSA_KEY-Diskussion schon vergessen, hält Microsoft vertrauensbildende Massnahmen offenbar für überflüssig, denn einer Quellcode-Überprüfung durch das BSI hatte das Unternehmen zumindest bis Redaktionsschluss nicht zugestimmt. Doch womöglich wäre der Flurschaden nach einem Blick in den Quellcode das weitaus grössere Übel.

Moderne Zeiten? Mit Sicherheit. Bedrückend allerdings, dass trotz des Linux-Booms im Serverraum die Herde der Lemminge auf absehbare Zeit noch groß genug sein wird, um selbst solchen Herstellern brilliante Quartalsergebnisse zu bescheren, mit denen ein sehr respektabler Kunde von mir "nicht ohne Not im gleichen Satz genannt" werden möchte.


Eitel Dignatz ist Unternehmensberater und Inhaber des Münchner Unternehmens Dignatz Consulting.

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